Die Bernsteinstraße von der Adria bis zum Donauraum
Im Jahr 15 v. Chr. wurden das keltische Königreich Norikum und vier Jahre später die ungeeinten wilden Stämme in Pannonien von Rom annektiert. Allerdings brachten sowohl offener als auch versteckter Widerstand der römischen Besatzungsmacht erhebliche Verluste, sodass erst mehr als zwei Jahrzehnte später, im Jahr 9 n. Chr. mit der Errichtung der Provinz Pannonien begonnen werden konnte. Entlang der Donau wurde der „limes“ als starke Befestigungsanlage errichtet und unter den Kaisern Augustus und Tiberius (14 n. Chr. bis 37 n. Chr.) wurde eine wintersichere Straßenverbindung zwischen Aquilea an der oberen Adria bis Carnuntum an der Donau ausgebaut. Diese führte über Emona /Ljubljana/Laibach), Celeia (Celje/Cilli), Poetovio (Ptuj/Pettau), Savaria (Szombathely/Steinamanger) und Scarbantia (Sopron/Ödenburg) nach Carnuntum (Petronell/Deutsch Altenburg) an der Donau. Zwischen Strebersdorf und der ungarischen Grenze vor Sopron führte die Bernsteinstraße auch über das heutige Mittelburgenland. Diese – seit dem vorigen Jahrhundert Bernsteinstraße genannte – Fernverkehrsverbindung entwickelte sich zu einer für das Römische Reich wichtigen Handels-, Militär- und Poststraße.
Der Verlauf der Bernsteinstraße folgt einem urzeitlichen Handelsweg, der schon seit der frühen Bronzezeit benützt, öfters neu trassiert sowie mit Meilensteinen versehen wurde. So unter Kaiser Hadrian im Jahr 132 n. Chr. und später unter Kaiser Volusianus (251 bis 253 n. Chr.). Sie ist in ihrer Bedeutung als Nord-Süd-Verkehrsverbindung zwischen der Ostsee und der Adria einer heutigen Autobahn (EU-Transversale) vergleichbar. Viele aktuelle Neuplanungen von Verkehrswegen (Straßen- und Bahnprojekte) in Europa (z.B. Autobahn A3, Süd-Ost-Spange) orientieren sich an der Römischen Bernsteinstraße. Kaiser Augustus ließ die Passstraße über die Julischen Alpen (Birnbaumer Sattel/Birnbaumer Wald) errichten. Unter Tiberius erfolgte der Ausbau von Emona/Laibach bis zur Donau als Militärstraße mit geschotterten Dämmen, Straßengräben, Holz- und Steinbrücken und teilweise in Kalkgestein gehauenen Wagengeleisen.
Die Bernsteinstraße war eine via publica, eine Reichs- und Poststraße und eine Militär- und Handelsstraße. Zwischen den Städten, die aus Militärlagern entstanden, entwickelten sich Straßenstationen (mansiones, mutationes) mit Herbergen und Pferdewechselstationen für die kaiserliche Post (cursus publicus). Die Straßenstationen, die Städte, wichtige Flussübergänge und Gebirgspässe waren auf Karten und in Reisebüchern verzeichnet. Die bekannteste antike Straßenkarte ist die tabula peutingeriana, die in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird.

Tabula Peutingeriana, Detail
Quelle: Österreichische
Nationalbibliothek, Handschriftensammlung Cod. 324
Die Bezeichnung Bernsteinstraße ist nicht antik, sondern stammt aus dem vorigen Jahrhundert aufgrund eines Berichtes des römischen Schriftstellers Plinius des Älteren, der berichtet, dass auf diesem Weg der Bernstein von der Ostseeküste über Carnuntum nach Aquilea, dem Zentrum des Bernsteinhandels, transportiert wurde. Er berichtet weiters, dass jene germanische Küste, an der Bernstein gesammelt wird, von Carnuntum 600 Meilen (880 km) entfernt liege.
Bernstein, das „Gold der Ostsee“ ist ein versteinertes, honiggelb bis rotbraunes Harz, das zwischen 25 und 50 Millionen Jahre alt ist. Es stammt aus Harz von Nadelbäumen, die durch Wasser, Eis und Brandung in tiefe Sedimentschichten abgesunken waren, wo sie von Sand, Staub, neuen Gesteinsschichten oder Wasser zugeschüttet wurden und unter Luftabschluss und Druck zu Bernstein wurden. Häufig zeigen die Fundstücke Einschlüsse von prähistorischen Insekten oder Pflanzen. Als Schmuckstück (Anhänger, Ketten, Ringe, kleine Figuren, etc.) war Bernstein bereits seit dem 3. Jahrtausend vor Chr. beliebt und auch im frühkaiserlichen Rom als teurer Modeschmuck sehr begehrt. Bernstein wurde aber auch in Magie und Heilkunst sowie als Räucherwerk verwendet.
Ein weitreichender Handel erfolgte bereits in der Bronzezeit (2000 bis 800 v. Chr.). In römischer Zeit entwickelten sich Carnuntum und Aquileia zu Zentren des Bernsteinhandels. Zur Zeit des Kaisers Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.) wurde der Bernstein von der Ostseeküste über das Germanengebiet nach Carnuntum und entlang der Römischen Bernsteinstraße nach Aquileia an der oberen Adria zur Weiterverarbeitung transportiert. In Carnuntum und in Aquileia waren Bernsteinschleifereien. Im Raum von Carnuntum querte die Bernsteinstraße als Fernhandelsroute die Donau, wodurch Carnuntum zu einem bedeutenden Handelsplatz wurde. Die Bernsteinstraße war nördlich der Donau keine befestigte Straße, sondern ein Bündel von Routen, das von der Ostsee nach Süden führte. Einer der frequentiertesten Handelswege führte über die Weichsel bis zur Mährischen Pforte und folgte der March bis zur Mündung in die Donau. Dieser Weg ist durch zahlreiche Bernsteinfunde dokumentiert. Ein besonders schöner Bernsteinschmuck auch aus dem mittelburgenländischen Streckenabschnitt ist im Burgenländischen Landesmuseum ausgestellt.

Bernsteinschmuck aus Girm bei Deutschkreutz. Fabelwesen mit Wolfskopf und Fischschwanz (römisch 2. Jahrhundert n. Chr. Quelle: Bgld. Landesmuseum
Südlich der Donau war die Bernsteinstraße in das römische Straßennetz eingebunden, verlief über Niederösterreich, Nord- und Mittelburgenland, Westungarn und Slowenien nach Norditalien zum wichtigen Hafen Aquileia (Grado). Von allen an der Bernsteinstraße transportierten Waren (Eisen, Wein, Keramik, Glas) hatte Rohbernstein sicher den geringsten Anteil. Dennoch wurde der begehrte Schmuckstein namengebend für den gesamten Handelsweg.
Schaupult Nebersdorf: Römischer Straßenbau
Schaupult Strebersdorf: Handel und Reisen in römischer Zeit
Schaupult Horitschon: Industrie und Handel
- August, Ernst: Geschichte des Burgenlandes, Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1987, S.11 – 19
- Gruber, Andreas: 25 Jahre Verein zur Erhaltung der Bernsteinstraße 1989 – 2014, Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum, S. 11 und S. 28f.
- Gruber, Oswald, 25 Jahre Verein zur Erhaltung der Bernsteinstraße 1989 – 2014, Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum.
- Kaus, Karl: Die römische Bernsteinstraße Carnuntum – Aquilea. Exkursionsführer, Schriftenreihe Allgemeinbildende Höhere Schule 2/1999 des Pädagogischen Institutes Burgenland.
Landesmuseum Burgenland: Die Bernsteinstraße. Evolution einer Handelsroute. Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland (WAB), Heft 123. Eisenstadt 2008.