Exkursion nach Scarbantia/Ödenburg/Sopron

Das zweite große Event des 35-jährigen Vereinsjubiläums war neben der Kulturwanderung am 4. August 2024 entlang der Römischen Bernsteinstraße die Exkursion des Vereins in das römische Scarbantia/Ödenburg/Sopron am Samstag, 12. Oktober 2024. Obmann Mag. Oswald Gruber hat mit seinem Team ein interessantes Thema ausgewählt: „Auf den Spuren der Römer in Scarbantia“.

Reiseleiterin Magdalena Krisch führte uns in einer Stadtrundfahrt entlang der Römischen Bernsteinstraße durch den Stadtteil Löverek ins Ödenburger Gebirge, wo in der Hallstattzeit große Befestigungsanlagen/Höhenburgen am Burgstall, auf der Karlshöhe und auf dem Himmelsthron entstanden; weiters ging die Rundfahrt zum Amphitheater mit der Verehrung des Heiligtums der Schutzgöttin der Tierkämpfe Diana Nemesis auf dem Wiener Berg (Bécsi domb).

Verein der römischen Bernsteinstraße - Exkursion nach Scarbantia-Ödenburg-Sopron
Das Amphitheater von Scarbantia
Verein der römischen Bernsteinstraße - Exkursion nach Scarbantia-Ödenburg-Sopron
Die Kapitolinische Trias: Jupiter, Juno, Minerva im Lapidarium, Fabricius – Haus

Der Höhepunkt der Exkursion war der Besuch des römischen Forums und des Museumsquartiers in der Altstadt von Ödenburg.

Der Name Scar(a)bantia ist keltischen Ursprungs und heißt zerstreute(r) Siedlung/Ort. In der Zeit des Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.) erhielten die ansässigen Römer das Bürgerrecht. Plinius der Ältere bezeichnet die Stadt als Oppidum Scarabantia Julia.

Unter Kaiser Vespanian (69-79 n. Chr.) erhielt Scarabantia den Rang eines Municipiums. Dies beweist eine in Savaria/Steinamanger/Szombathely gefundene Altarinschrift, die das „Municipium Flavium Augustum Scarabantia“ erwähnt: diese Rangerhöhung brachte den freien Einwohnern der Stadt erhebliche Vorteile, vor allem Steuer- und Zollvorteile bei ihren Handelsgeschäften.

Auf dem Forum Scarabantias wurde der Tempel der Kapitolinischen Trias – Jupiter, Juno und Minerva – gefunden; daneben standen die basilica, die Gerichtshalle, die Curia, das Rathaus und ein öffentliches Bad.

Die Spuren der römischen Mauern, der Bernsteinstraße, des Lapidariums mit den Grabsteinen von italienischen Negotiatoren (Händlerfamilien wie die Sempronier) aus Unterpetersdorf, Neckenmarkt, Walbersdorf, Prössing/Peresznye und die archäologische Ausstellung im Fabriciushaus mit dem Kultgerät von Haschendorf und der römischen Abteilung - Funde aus der Römerzeit und vor allem Bernsteinschmuck - beeindruckten die zahlreichen Teilnehmer der Exkursion.  Ein negotiator war nicht nur Händler, sondern auch Unternehmer, der auch Bankgeschäfte tätigte. Ein Querschnitt von Funden aus der Jungsteinzeit bis zur Römerzeit aus dem Raum Ödenburg/Umgebung ist in dieser archäologischen Ausstellung zu sehen. Ein großartiger Schatz für alle historisch Interessierten in unserer unmittelbaren Nachbarschaft.

Der Grabstein von Caius Sextilius Sececio aus dem 1. Jahrhundert nach Christus bewies den römischen Namen von Scarbantia; Sextilius Sececio war Mitglied des Stadtrates. Sein Grabstein wurde 1911 im Baugelände des Soproner Postpalais entdeckt. Die Überschrift des Grabmals bewies, dass die römische Stadt Scarbantia im Gebiet des heutigen Sopron liegt.

Das Bronze- Kultgerät von Haschendorf/Hasfalva und Bernsteinschmuck
in der Archäologischen Ausstellung im Fabricius Haus

Nach dem Mittagessen im Gasthaus Erhardt fuhren wir zum Paneuropäischem Picknick in Sopronköhida/Steinambrückl, genau an der alten Bernsteinstraße /Pressburgerstraße gelegen. Obmann Mag. Gruber erklärte die Ereignisse der DDR-Fluchtbewegung vom 19. August 1989, wo 600 bis 750 DDR - Flüchtlinge in die Freiheit gingen:

Kurze Vorgeschichte:

„Am 2. Mai 1989 erfolgte der Abbau des Eisernen Vorhanges in Nickeldorf/Hegyeshalom, Sopron/Ödenburg und Köszeg/Güns. Am 27. Juni 1989 durchschnitten medienwirksam der ungarische Außenminister Gyula Horn, der österreichische Außenminister Dr. Alois Mock und der burgenländische Landeshauptmann Hans Sipötz den Eisernen Vorhang – als „inszenierte Geschichte“ bekannt.

Das Paneuropäische Picknick vom 19. August 1989

Das Picknick fand am Grenztor an der alten Bernsteinstraße/Pressburger Straße zwischen        St. Margarethen und Sopronköhida/Steinambrückl statt. Die Idee ging von Otto von Habsburg und dem Ungarischen Demokratischen Forum in der ostungarischen Stadt Debrecen aus. Am Nachmittag des 19. August 1989 sollte es von 15.00 bis 18.00 Uhr einen improvisierten Grenzübergang geben; Schirmherren des Picknicks waren Unionspräsident und CSU-Europaabgeordneter Otto von Habsburg sowie der ungarische Staatsminister und Reformer Imre Pozsgay. Diese sahen im geplanten Picknick eine Chance, die Reaktion Gorbatschows auf die Grenzöffnung zu testen. Unter DDR-Bürgern wurde Werbung dafür gemacht. Die Paneuropa-Union ließ tausende Flugzettel verteilen, mit denen zu einem Picknick nahe der Grenze bei Sopron eingeladen wurde. Mit dem Picknick wollten Habsburg und Pozsgay prüfen, ob Moskau bei der Öffnung des Eisernen Vorhanges den in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen den Befehl zum Eingreifen geben würde oder ob die Sowjetunion oder einzelne Ostblockstaaten militärisch intervenieren würden, falls es zu einer ungelegenen antikommunistischen und antisowjetischen Entwicklung käme.

In insgesamt drei Wellen hatten zwischen 600 und 750 DDR-Bürger die kurze symbolische Grenzöffnung zur Flucht in den Westen genutzt. Es war damit die größte DDR-Fluchtbewegung seit dem Bau der Berliner Mauer 1961. Die ungarischen Grenzsoldaten reagierten besonnen auf die sich abzeichnende Massenflucht und schritten nicht ein. Der damals leitende Grenzoffizier auf ungarischer Seite Árpád Bella und Stefan Biricz auf österreichischer Seite „ignorierten“ die direkt vor ihren Augen vorübereilenden Grenzgänger und verhinderten so eine Eskalation der Situation. Die DDR - Bürger wurden im Freizeitzentrum St. Margarethen freundlich aufgenommen, mit Essen und Trinken versorgt und mit Bussen zur deutschen Botschaft nach Wien weitergeleitet und mit ÖBB-Zügen nach Westdeutschland gebracht.

In den Folgetagen wurde die Bewachung der ungarischen Westgrenze auf Anweisung der ungarischen Regierung wieder verstärkt. Am 11. September öffnete Ungarn endgültig seine Grenze für DDR-Bürger nach Österreich. Die Ereignisse des Paneuropäischen Picknicks führten weiter zum Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 und zur Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990“.

Gedenkstätte:

Heute erinnert eine Kalksteinskulptur mit dem Titel „Àttörés – Umbruch“ des ungarischen Künstlers Miklós Melocco an das Paneuropäische Picknick 1989.

Als besonderes Ereignis war der Besuch des Mithräums in Fertörakos/Kroisbach, wo der persische Lichtgott Mithras von den Soldaten der XIV. römischen Legion in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten verehrt wurde. Der Mithras-Tempel – das älteste Denkmal der Römerzeit – wurde als kleine Kult-Grotte 1866 vom Mörbischer Steinmetz Georg Malleschitz entdeckt. Er begann zusammen mit Ferenc Storno den aufgeschütteten überwölbten Hohlraum wieder zugänglich zu machen. Die Grotte war nach hinten durch einen senkrecht gehauenen Kalksteinfelsen abgeschlossen, wo nach dessen Freilegung auf einem 2,5 m großen in den Felsen gehauenen Relief der stiertötende Gott Mithras mit Hund und Schlange zu sehen ist. Zu beiden Seiten des Stiertöters stehen seine Begleiter Cautes und Cautopates, zwei Fackel tragende Gestalten als Begleiter für den Gott Mithras mit auf- bzw. abwärts gerichteter Fackel, über ihnen Sol (Sonne) und Luna (Mond) als Symbole von Tag und Nacht. Das Original des Altarbildes wird im Lapidarium des Fabricius Hauses im Museumsquartier in Sopron aufbewahrt; im Mithräum in Fertörakos selbst befinden sich nur Kopien.

Verein der römischen Bernsteinstraße - Exkursion nach Scarbantia-Ödenburg-Sopron
Kalksteinskulptur mit dem Titel „Àttörés–Umbruch“ des ungarischen Künstlers Miklós Melocco

Das aufkommende Christentum (313 n. Chr. erließ Kaiser Konstantin die Mailänder Vereinbarung, mit dem das Christentum anerkannt wurde; die Anerkennung des Christentums als Staatsreligion durch Theodosius I. 380-391 n. Chr.) machte dann der Verehrung des Lichtgottes Mithras ein Ende.

Als Abschluss der Exkursion besuchten wir den Heurigen Reumann in Deutschkreutz.

Die Exkursion war ein weiterer bildungsmäßiger Meilenstein zum 35 – jährigen Jubiläum
des Vereins Römische Bernsteinstraße Mittelburgenland. Die Exkursion bot viel Neues und Interessantes zum Thema: „Auf den Spuren der Römer in Scar(a)bantia“.

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